zum Hauptinhalt
Proteste In Istanbul.

© REUTERS/DILARA SENKAYA

Update

Hunderte Festnahmen in der Türkei: 300.000 Menschen demonstrieren für Freilassung von Imamoglu

Massen gingen in Istanbul aus Protest gegen die Festnahme von Imamoglu auf die Straßen. Die Polizei ging brutal vor. Offenbar wurden Dutzende Social-Media-Profile gesperrt.

Stand:

Bei den Massendemonstrationen für die Freilassung des Istanbuler Bürgermeisters und Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu in der Türkei sind nach Angaben des Innenministeriums mehr als 340 Menschen festgenommen worden. „Wer Chaos und Provokation sucht, wird nicht toleriert werden“, erklärte Innenminister Ali Yerlikaya am Samstag im Onlinedienst X. Die insgesamt 343 Festnahmen erfolgten demnach in Istanbul und acht anderen Städten.

Zudem seien Dutzende Social-Media-Nutzer im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen worden, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Auch zahlreiche Profile von feministischen und studentischen Zusammenschlüssen auf der Plattform X seien blockiert worden, teilte eine Initiative mit.

Laut der türkischen Initiative zur Überwachung von Internetzensur Engelliweb wurden seit der Festnahme Imamoglus am Mittwoch mindestens 85 Accounts gesperrt. So war etwa auch die Seite der bedeutenden Frauenrechtsorganisation Mor Dayanisma am Samstag nicht erreichbar.

X-Inhaber Elon Musk erkläre, dass seine Plattform für das Recht der Menschen auf freie Meinungsäußerung kämpfen werde, zensiere aber willkürlich Hunderte von Konten von Studenten und der Zivilgesellschaft, schrieb der Cyberrechts-Experte Yaman Akdeniz auf der Plattform.

Festnahmen von Social-Media-Nutzern

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wurden bisher 56 Social-Media-Nutzer unter dem Vorwurf der Anstiftung zu Unruhen festgenommen. Das Internet ist für die Proteste und Kritik an der Regierung ein zentraler Kommunikationsraum.

Die Nachrichtenplattform Medyascope berichtete unterdessen, der regierungsnahe Sender NTV habe die Ausstrahlung einer Rede des Oppositionschefs Özgür Özel unterbrochen, als dieser regierungsfreundliche Medien kritisierte.

Proteste in Zweidrittel der türkischen Provinzen

Die Proteste in der Türkei dauern seit der Festnahme Imamoglus am Mittwoch an. Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP gab es dagegen bislang in mindestens 55 der 81 türkischen Provinzen Demonstrationen. An ihnen beteiligten sich hunderttausende Menschen. Die Polizei ging vielerorts mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor, wie AFP-Journalisten berichteten.

Polizei setzte Gummigeschosse gegen Demonstranten in Istanbul ein

An den neuen Protesten gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters und Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu haben sich nach Angaben seiner Partei allein in Istanbul hunderttausende Menschen beteiligt. „Wir sind 300.000 Menschen“, rief der Vorsitzende von Imamoglus Partei CHP, Özgür Özel, am Freitag der vor dem Rathaus versammelten Menge zu. Die Demonstranten hätten sich aufgrund von Straßensperrungen und Brückenschließungen an verschiedenen Orten der Stadt versammelt.

Die Polizei ging mit Pfefferspray und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. In der Stadt Izmir im Westen der Türkei setzten die Beamten Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Teilnehmer einer weiteren Kundgebung der Opposition auseinanderzutreiben, wie der Sender Halk TV berichtete.

Eine Person geht an einem Banner mit einem Bild des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu vorbei (Symbolbild).

© REUTERS/Umit Bektas

Imamoglu, der als einer der aussichtsreichen Rivalen des Langzeitpräsidenten Recep Tayyip Erdogan gilt, war am Mittwochmorgen nach einer Razzia in seinem Haus festgenommen worden. Außer ihm wurden mehr als hundert weitere Menschen festgenommen, darunter Mitarbeiter, Abgeordnete und CHP-Mitglieder. Am Sonntag soll Imamoglu trotz seiner Festnahme offiziell zum Kandidaten seiner Partei für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 gekürt werden.

Imamoglu weist Vorwürfe zurück

Der 53-jährige Bürgermeister von Istanbul wird laut Staatsanwaltschaft unter anderem der Korruption und Erpressung beschuldigt. Ihm wird vorgeworfen, Anführer einer „kriminellen Organisation“ zu sein. Nach Angaben des Justizministeriums lautet ein weiterer Vorwurf „Unterstützung von Terrorismus“. Dabei gehe es um mutmaßliche Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Die Terrorismusvorwürfe wies Imamoglu laut einem Gerichtsdokument, das Reuters am Samstag vorgelegt wurde, zurück. „Ich habe heute während meines Verhörs gesehen, dass ich und meine Kollegen mit unvorstellbaren Anschuldigungen und Verleumdungen konfrontiert sind“, sagte Imamoglu bei einem Verhör der Anti-Terror-Polizei, geht aus dem Dokument hervor.

„Diese Verleumdungen werden abprallen, nachdem sie auf die Mauern im Herzen unserer Nation getroffen sind“, wird Imamoglu zitiert. „Unser Land muss sich so schnell wie möglich von dieser Mentalität befreien, die davon ausgeht, dass sie alles tun darf, um ihren Sitz zu schützen“, sagte Imamoglu in Anspielung auf Erdogan. Am späten Samstagnachmittag wird ein Gericht voraussichtlich entscheiden, ob Imamoglu freigelassen wird, oder bis zur Verhandlung seines Falles in Untersuchungshaft bleiben muss. (AFP/dpa/Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })